Frage: Wie kann ich mich vor dem Mitleiden schützen, wenn ich andere empathisch begleite?

Zuerst einmal lade ich Sie/dich ein, über die Frage nachzudenken, ob es den anderen unterstützt, wenn ich mitleide. Ich glaube nicht. Im Gegenteil, es zieht die Gesprächsenergie (meine Aufmerksamkeit) von ihm weg. Er oder sie denkt jetzt womöglich, er sei dazu verpflichtet, sich mit meinem Leid auseinanderzusetzen, statt von mir Unterstützung und Raum für seine Gefühle zu bekommen.

Ich finde es wichtiger, die Botschaft der Gefühle zu verstehen. Solange ich mich nur auf die Gefühle an sich und nicht auf die ihnen innewohnende Botschaft konzentriere, verpasse ich eine wesentliche Chance, dauerhaft etwas zu ändern.

Wodurch ändern sich Gefühle?

Gefühle ändern sich einfach dadurch, dass sie Raum bekommen und gehört werden. Weil allein das Identifizieren und Benennen von Emotionen eine Beruhigung im menschlichen Gehirn bewirkt. Diese Selbstregulation lässt sich durch funktionelle Magnetresonanztomographie nachweisen.

Unsere Gefühle ändern sich auch durch die Präsenz von jemanden, der uns wohlwollend zur Seite steht. Das hilft dem menschlichen Gehirn, sich in der Welt sicherer zu fühlen und wieder in ein emotionales Gleichgewicht zu kommen. So funktioniert unser menschliche Gehirn nun einmal. Und es könnte sogar noch weiter gehen…

Was ist die Botschaft der Gefühle?

Es geht meiner Meinung nach darum, die Botschaft unserer Gefühle zu erkennen. Jedes Gefühl will auf etwas aufmerksam machen, das uns wichtig ist. Wenn wir uns beruhigen und das Gefühl verschwindet, bevor wir die Botschaft des Gefühls verstanden haben, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit bald an anderer Stelle wieder auftauchen. Was aber ist die Botschaft eines Gefühls? Ein Gefühl ist ein Hinweis auf ein erfülltes oder eben nicht erfülltes Bedürfnis. Erst wenn wir das Bedürfnis erfassen, können wir passende Lösungen und Strategien finden. Das Bedürfnis selbst gibt uns die nötige Kraft und Motivation uns für seine Erfüllung einzusetzen.

Ein Hund zeigt alle Zeichen von Traurigkeit, wenn sein Besitzer bekümmert ist. Wenn ein Baby in einer Kindergruppe  schreit, schreien viele instinktiv mit. Das nennt sich „emotionale Ansteckung“. Als Erwachsene sind wir diesem „instinktiven Reaktionsmechanismus“ nicht ausgeliefert. Doch dazu braucht es einen dazwischen geschalteten Bewusstseinsprozess. Wichtig ist, zu erkennen, dass ich nur dann mitleide, wenn irgendetwas IN MIR getriggert wird.

Wichtig ist weiters, bewusst zu erkennen, was es ist (etwas, das der andere vielleicht gesagt hat oder das ich begleitend gedacht habe), das in mir ein schmerzhaftes Gefühl auslöst. Das hat oft mit dem Schmerz des anderen herzlich wenig zu tun, auch wenn wir es „Mit-Leid“ nennen.

Je mehr und öfter ich mich meinen Auslösern – losgelöst von der vorherigen Situation – zuwende, um herauszufinden, was MEINE Bedürfnisse sind, umso mehr kann ich mich um meine Bedürfnisse kümmern.

Fazit:

Je mehr ich mich um meine Bedürfnisse kümmere, umso weniger leicht werde ich getriggert. Je mehr „innere Arbeit“ ich leiste, umso präsenter kann ich für andere da sein.