Was ist eine gelungene Bitte? Um in das Themen der Bitten einzusteigen beginne ich mit einer Grundannahme der GFK: Jede Person trägt gerne zur Erfüllung der Bedürfnisse anderer Personen bei.

Ist das tatsächlich so? Und gilt das auch für mich? Wenn ich mich das frage und in mich reinspüre, dann merke ich, dass ich wirklich gern zum Wohl anderer beitrage. Egal ob es meine eigenen Familienmitglieder sind, die etwas von mir wollen, oder Freunde, Bekannte oder Menschen, denen ich sonst begegne.

Aber…

was einen Unterschied macht, ist, wieviel eigene Ressourcen ich gerade zur Verfügung habe und die Art, wie ich gebeten werde.

Wenn es mir kräftemäßig nicht so gut geht, dann brauche ich alle meine zeitlichen Reserven für mich selbst um meine eigenen, um Hilfe schreienden Bedürfnisse zu beruhigen. Es gibt da zwar einen kleinen Spielraum. Aber dieser ist unter solchen Umständen nicht besonders groß.

Viel wichtiger für mich ist die Art wie ich gebeten werde. Bei einem „Ich brauche …!“  oder einer stillschweigende Annahme, dass ich etwas erledige, gemäß „Du machst das schon, nicht wahr?“ regt sich bei mir Widerstand. Die erste Version ist die Version meiner Jungs, die zweite ist die, auf die mein Mann von Zeit zu Zeit gern zurückgreift. „Hey, Moment mal, was ist mit mir?“, denke ich da. Rosenberg bezeichnet diese Reaktion „Rebellion“. Sie tritt vor allem dann auf, wenn eine „Bitte“ in Verbindung mit einem (un)ausgesprochenen „sofort“ ausgesprochen wird. 

Was steckt dahinter?

Ich werde einfach gern gebeten. Und zwar so gebeten, dass ich wirklich vor einer freien Wahl stehe. Wenn etwas in mir den leisesten Eindruck bekommt, ich werde gezwungen, dann verfliegt die ganze Freude am Beitragen. Dann bleibt nur mehr eine dumpfes Gefühl von Betäubung und ein „Na gut, mach‘ ich halt!“. Rosenberg nennt das treffend „Unterwerfung

Interessant wie fein eingestellt der innere Gradmesser meiner Gefühle ist. Wie sensibel ich da bin. Sobald jemand über mich und meine Zeit zu bestimmen versucht, und damit ausdrückt, dass wir nicht gleichwertig sind, springt er an. Was ist mir da wichtig? Augenhöhe, Gleichwertigkeit aller Beteiligten und aller Bedürfnisse, Partnerschaftlichkeit, Vertrauen, dass auch meine Bedürfnisse erfüllt werden!

Wie können wir etwas „ändern“?

In unserer schnelllebigen Zeit hat jeder eine Unmenge an Anforderungen zu bewältigen. Viel mehr, als es für uns alle gesund ist. Zumindest für mich. Ich merke, wie wichtig mir das Thema ist. Und wie schwer es scheinbar in meiner Familie ist, wirkliche Bitten zu stellen. Wieviel Druck und Forderungen da immer mitschwingen.

Jetzt bekomme ich Lust mit diesem Thema zu experimentieren. Vermutlich bin ich nicht die einzige, der es so geht. Ich vermute sogar, dass es allen in meiner Familie so geht und vielleicht sogar allen Menschen auf der ganzen Welt.

Vielleicht kann ich damit beginnen, selber mehr Bitten stellen ohne Erwartungen daran zu knüpfen. Und auch einmal nachfragen, ob das, was der andere ausdrückt, eine Bitte oder eine Forderung ist. Vielleicht höre ich ja Forderungen, wo gar keine sind. Da fällt mir Rosenbergs Rezept für Bitten ein, das ich euch gerne heute mitgeben möchte.

Rezept für Bitten

Erstens, bitte tu‘, worum ich dich gebeten habe nur dann, und wirklich nur dann, wenn du es mit der gleichen Freude tun kannst, mit der ein kleines Kind eine hungrige Ente füttert. Zweitens, bitte tu‘ nicht, worum ich dich gebeten habe, wenn da auch nur die kleinste Spur von Angst vor Bestrafung ist, wenn du es nicht tust. Drittens, bitte tu‘ nicht, worum ich dich gebeten habe um meine Liebe damit zu kaufen, das heißt, in der Hoffnung, dass ich dich dann mehr lieben werde. Darüber hinaus, bitte tu‘ nicht, worum ich dich gebeten habe, wenn du dich schuldig fühlen würdest, es nicht getan zu haben. Zusätzlich bitte tu‘ nicht, worum ich dich gebeten habe, wenn du dich schämen würdest, es nicht getan zu haben. Und zuletzt bitte, bitte tu‘ auf keinen Fall, worum ich dich gebeten habe, wenn du es aus irgendeinem Gefühl von Pflicht oder verpflichtet-sein tun würdest.

Bitten an mich selbst

Womit ich jedenfalls beginnen kann, ist, Bitten an mich selbst anstelle von Forderungen zu stellen. Ich kann auch den Teil in mir, der an mich selbst Forderungen stellt, unterstützen, seine Bedürfnissen zu erforschen. Und gleichzeitig kann ich mich erinnern, meine Bitten an mich selbst nur dann zu erfüllen, wenn ich es mit Freude tun kann.

Übrigens: zu diesem Beitrag hat mich eine Teilnehmerin bei meinem Workshop auf Schloss Krastowitz inspiriert – wo das Thema Umgang mit Forderungen im Zusammenhang mit Ärger aufgekommen ist. Auch das Foto stammt von diesem Workshop. Danke für die Inspiration!